BSU-Untersuchungsbericht – Kollision zwischen Traditionsschiff No.5 ELBE und Containerschiff ASTROSPRINTER auf der Elbe am 8. Juni 2019
Kommentar:
Der grösste Teil des Berichtes befasst sich mit Themen, die für die Unfallursache und den Ablauf des Unfalles irrelevant sind.
Laut Bericht sind der Schiffsführung samt Steuermann viele, schwere Fehler unterlaufen. Man hätte aufgrund der Wettervorhersage – Boen mit 8 bft – gar nicht auslaufen dürfen.
Gemäss „Sicherheitszeugnis“ für Traditionsschiffe vom 29.05.2019 hätte die Elbe 5 nur bis 5 bft fahren dürfen.
Funk wurde auf der Elbe 5 nicht genutzt, um sich mit den entgegenkommenden Schiffen abzusprechen. Auf Funkanrufe reagierte man nicht !
AIS funktionierte nicht oder war nicht eingeschaltet.
Schwimmwesten waren veraltet und nicht angelegt.
Es gab keinen Ausguck.
Das Signalhorn war zu schwach und wurde von anderen Schiffen nicht gehört.
Nach der 180 Grad Wende Richtung Hamburg riss zunächst eine Klüver-Schot und kurz danach die Fock ein.
Die Segel stammten überwiegend noch aus den alten Amerika-Zeiten des Schiffes. Meine Recherchen ergaben:
Seit 2002 ist der Lotsenschoner wieder in Deutschland. Demnach müssen die Segel z.T. älter als 20 Jahre gewesen sein.
Ich halte es für verantwortungslos, Passagiere an Bord eines Schiffes zu nehmen, dessen Segel älter als 20 Jahre und daher offenbar marode gewesen sind.
Man hatte unzulässigerweise auch zu viel Segelfäche für die zu erwartenden 8 bft gesetzt.
Ein Wechsel zur Südseite des Fahrwassers – wie von der BSU gefordert – hätte bei dem Süd-Süd-Westwind sehr lange gedauert. Der Wendewinkel nur mit Schonersegel, Fock und Innenklüver (also ohne das Hauptsegel am hinten stehenden Grossmast) dürfte extrem gross gewesen sei. Ob sich das Schiff hart am Wind auf der anderen Fahrwasserseite – wie von der BSU gefordert – hätte halten können oder ins Fahrwasser abgedriftet wäre, ist daher eine weitere Frage.
Sicherer wäre es gewesen, vor der 180 Grad Wende die Segel zu bergen und mit Maschine das Fahrwasser zu queren, um auf der rechten Fahrwasserseite Richtung Hamburg zu motoren, wobei man ggf. auch ein Segel hätte setzen können.
Ein Abfallen der Elbe 5 nach Backbord – um der Astrosprinter auszuweichen – sei angeblich nicht möglich gewesen, da das Fieren der Segel zu lange gedauert hätte.
Ein Abfallen kam für den Steuermann in diesem Moment als Alternative jedoch nicht mehr in Frage, da nach seiner Auffassung hierzu die Großschot hätte gefiert werden müssen und hierzu keine Zeit mehr zur Verfügung stand. Der Schiffsführer ließ den Steuermann gewähren
Man stellt sich die Frage, warum kein „Alle Mann an Deck“ Kommando gegeben wurde, um zumindest das Schonersegel zu fieren. In allen Sequenzen des o.a. Videos sehen wir nur den Rudergänger. Warum bekam er keine Unterstützung ?
Alle anderen Besatzungsmitglieder waren mit weiteren Aufgaben wie z.B. Segelbergen, Arbeiten in der Kombüse, Beaufsichtigung der Fahrgäste beschäftigt.
Man kann über die falsch gesetzten Prioritäten wirklich nur den Kopf schütteln.
Nachtrag: laut Kreiszeitung freuten sich die Gäste auf einen „sechsstündigen Törn für 69 Euro inklusive Mittagessen, Kaffee und Kuchen.“
Es wundert mich nicht, dass der Steuermann an Deck – als sich die Astrosprinter näherte, dem Video nach allein gelassen wurde.
Leider wird auch das Verwechseln von Backbord und Steuerbord, welches dazu führte, dass man der Astrosprinter direkt vor den Bug fuhr, nicht thematisiert sondern verschwiegen.
Das Alter des Schiffsführers, der sich mit 82 Jahren quasi im Greisenalter befand, wird ebenfalls nicht thematisiert sondern verschwiegen.
Ursächlich für den Zusammenstoss ist m.E. das Versagen von Schiffsführung und Steuermann.
Dem Rudergänger mangelte es an Erfahrung. Anders ist die Verwechselung von Backbord und Steuerbord nicht zu erklären.
Wie man dann zu der folgende Aussage kommen kann, ist mir unerklärlich:
Insgesamt kann festgestellt werden, dass die SHM einen großen Aufwand betreibt, um No.5 ELBE sicher zu betreiben. Alle Besatzungsmitglieder werden ihrem Ausbildungsstand entsprechend eingesetzt, wobei auch sog. „Probefahrten“ zu absolvieren sind, um mit dem Schiff vertraut zu werden. Niemand wird per se z.B. Matrose, Rudergänger, Steuermann oder Schiffsführer, sondern muss erst das Schiff und seine Aufgaben an Bord kennen lernen.
Das o.a. Video beweist m.E. eindeutig, dass der Betreiber mit der Schiffsführung einen Mann beauftragte, der vermutlich altersbedingt überfordert war. Überforderung trifft wohl auch auf den Steuermann zu.
Den grössten Teil der Schuld an dem Unfall trägt m.E. der Betreiber des Schiffes, der die Schiffsführung ungeeigneten Personen übertrug, wobei Deckshände fehlten und vieles an dem Schiff marode war.
Leider heisst es auch in dem neuen Bericht:
Während die Besatzung damit beschäftigt war, diese Segel unter Kontrolle zu bekommen, wurde es versäumt, die Fahrwasserseite der eigenen Fahrtrichtung entsprechend zu wechseln. So fuhr No.5 ELBE erst knapp an der ihr entgegenkommenden HANNA vorbei und kollidierte dann mit der ASTROSPRINTER.
Des weiteren heisst es in dem Bericht (S. 88)
Durch die Schiffsführung der No.5 ELBE wurde eine Wende in Richtung der ASTROSPRINTER eingeleitet. Dieses Manöver brachte das Traditionsschiff vor den Bug der ASTROSPRINTER (Abbildung 72).
Hier wird leider ein vollkommen falscher Eindruck von der Unfallursache vermittelt.
Der Unfall hatte nämlich nichts mit dem knappen Passieren zu tun, sondern beruhte darauf, dass der Rudergänger bei dem beabsichtigten Ausweichmanöver die Pinne in die falsche Richtung drückte und der Astrosprinter direkt vor den Bug fuhr.
Es wurde auch keineswegs eine „Wende in Richtung „Astrosprinter“ eingeleitet“, die das Traditionsschiff vor den Bug der Astrsprinter brachte.
Stattdessen wollte der Steuermann im letzten Moment ein Ausweichmanöver fahren. Er rief mehrmals „Hart Backbord“, drückte die Pinne aber in die falsche Richtung und fuhr der Astrosprinter direkt vor den Bug.
Fazit; Die Leser des Untersuchungsberichtes werden über den wahren Unfallhergang und die Gründe, die zu dem Unfall führten, getäuscht.
Ohne das o.a. Video wüssten wir nicht, was tatsächlich passiert ist.
Mehr als ein „MANGELHAFT“ kann ich dem Untersuchungsbericht daher nicht attestieren.
Klare Kante auch in diesem Fall, bei dem 28 Fahrgäste und Besatzung (15) nur mit viel Glück dem Tode entronnen sind.
P.S.
Auf Seite 88 ist mir noch ein weiterer schwerer Fehler aufgefallen:
Da die ASTROSPRINTER trotz stehender Peilung und sich änderndem Fahrwasserverlauf ihren Kurs nicht änderte, wurde zweimal vom Steuermann der No.5 ELBE das Warnsignal gegeben und, da keine Reaktion erfolgte, nach Steuerbord abgedreht.
Das ist m.E. hochgradiger Nonsense. Richtig ist vielmehr, dass der Steuermann in letzter Minute nach Backbord ausweichen wollte. Er rief mehrmals „hart Backbord“, bewegte die Pinne aber in die falsche Richtung.
Auch das Hamburger Abendblatt hatte berichtet:
Und die Ostsee-Zeitung schrieb:
„Nee, das ist nicht gut. Das ist Scheiße, was er da jetzt macht“, schwant einer Passagierin Böses. Auch ein Mann sieht das Unheil kommen und stellt nüchtern fest: „Den treffen wir“. An Bord bricht Panik aus. Zwei Männer greifen zum Ruder und lenken das Boot in die falsche Richtung. Laute Schreie sind zu hören, bevor das Video abbricht.
Unerträglich sind in diesem Video die Aussagen des Hamburg Maritim Vorstandsmitgliedes Joachim Kaiser.
Er will uns weismachen, die Elbe 5 Crew habe alles richtig gemacht. Es sei gemäss Seestrassenordnung vorgeschrieben, nach Steuerbord auszuweichen. Das ist natürlich Unsinn, denn es ist selbstverständlich nicht erlaubt, einem anderen Schiff, welches korrekt auf der rechten Fahrwasserseite fuhr, durch ein abruptes Wendemanöver vor den Bug zu fahren.
letzte Änderung 07.06.2021 12;30 – SailPics.de